Das unsichtbare Zollhaus
Mein welterfahrener Blick, - kaum verliess er das Auge, kehrte er ins Auge zurück -,
barg die Sicht der Dinge, die er mir zutrug aus weiter Ferne,
schmerzlich verschleiert.
Dankbar war ich ihm
Und verwundert über die Bitterkeit seines Schmerzes:
Unterwegs verweilte er an keinem Ort um zu ruhen,
der Raum zwischen mir und dem Gesichteten war frei,
seine Bewegung schnell, niemand nähme es auf mit ihm, gar schlüge ihm eine Wunde.
Eines Tages ohne sein Wissen, heimlich von Schatten zu Schatten, lief ich ihm nach.
Hinauseilen wollte er aus dem Auge,
als ein Zeichen „Halt“ mit wuchtigem Balken den Weg uns sperrte.
Hier stand das Zollhaus.
Das Blickgepäck, leicht aber umfassend, öffnete der Zöllner mit böser Miene,
zuoberst kehrte er das Unterste des Blicks:
In meinem Blick entdeckte er die mutige Kühnheit von Iblis,
den Zweifel Descartes,
sokratische Ironie,
Obeids entblössenden Spott,
die Lust am Vagabundieren,
Maulanas kraftvolle Faust an Türen klopfend, dass sie sich öffnen,
Djamschids Schlüssel zu den Toren des Verborgenen,
des Falken pfeilschnelle Flügel,
den felsenspaltenden Bohrer.
In meinem Blick strahlte die Liebe zur Welt.
In meinem Blick lag das zarte Kosen klaren Wassers aus süssen Quellen,
die flexible Weichheit im Umgang mit Gegensätzen.
Hafez sah er in meinem Blick und dessen klugen Vogel, den keine Falle fängt.
Meine langen Krallen sah er, die alles ergreifen, was erreichbar.
Er sah in meinem Blick den funkensprühenden Schlund meines Seins
und eine Hand, die auf die Brust der Lüge schlug, die den Namen Wahrheit trägt.
Der Zöllner sagte: „Solche Ausfuhr über die Grenze ist verboten.“
Widerspruch kam: „Der mich schickte, gab mir diese Wegzehrung zur Stärkung.“
Nichts hören wollte der Grenzer:
„Ohn´ all das musst du hinausgehen aus dir.“
Voll Ungeduld war mein Blick, seine Pflicht zu erfüllen.
Im Zolldepot liess er alles mit Beleg,
empfing, was er überlassen, erst bei der Wiederkehr.
Verrottet war alles im Speicher vom Zoll und stinkend.
Verschämt trat er vor mich,
schwieg sich aus übers Abenteuer auf halbem Wege.
Doch was er am anderen Ende des Weges gesehen, trug er vor weitläufig.
An diesem Tag verlor ich das Vertrauen in meinen Blick.
[Maulana Djalal al-Din Rumi (1207-1273) aus Balch, mystischer Dichter; Obeid-e Zakani (?-1371), satirischer Dichter; Hafez-e Shirazi (1325-1389), lyrischer Dichter; Djamschid – mythischer König.]
Manuchehr Jamali, „KARIZ“, London 1994 (S. 4-5); Übers.: B. Burgwinkel, 2007.
Mein welterfahrener Blick, - kaum verliess er das Auge, kehrte er ins Auge zurück -,
barg die Sicht der Dinge, die er mir zutrug aus weiter Ferne,
schmerzlich verschleiert.
Dankbar war ich ihm
Und verwundert über die Bitterkeit seines Schmerzes:
Unterwegs verweilte er an keinem Ort um zu ruhen,
der Raum zwischen mir und dem Gesichteten war frei,
seine Bewegung schnell, niemand nähme es auf mit ihm, gar schlüge ihm eine Wunde.
Eines Tages ohne sein Wissen, heimlich von Schatten zu Schatten, lief ich ihm nach.
Hinauseilen wollte er aus dem Auge,
als ein Zeichen „Halt“ mit wuchtigem Balken den Weg uns sperrte.
Hier stand das Zollhaus.
Das Blickgepäck, leicht aber umfassend, öffnete der Zöllner mit böser Miene,
zuoberst kehrte er das Unterste des Blicks:
In meinem Blick entdeckte er die mutige Kühnheit von Iblis,
den Zweifel Descartes,
sokratische Ironie,
Obeids entblössenden Spott,
die Lust am Vagabundieren,
Maulanas kraftvolle Faust an Türen klopfend, dass sie sich öffnen,
Djamschids Schlüssel zu den Toren des Verborgenen,
des Falken pfeilschnelle Flügel,
den felsenspaltenden Bohrer.
In meinem Blick strahlte die Liebe zur Welt.
In meinem Blick lag das zarte Kosen klaren Wassers aus süssen Quellen,
die flexible Weichheit im Umgang mit Gegensätzen.
Hafez sah er in meinem Blick und dessen klugen Vogel, den keine Falle fängt.
Meine langen Krallen sah er, die alles ergreifen, was erreichbar.
Er sah in meinem Blick den funkensprühenden Schlund meines Seins
und eine Hand, die auf die Brust der Lüge schlug, die den Namen Wahrheit trägt.
Der Zöllner sagte: „Solche Ausfuhr über die Grenze ist verboten.“
Widerspruch kam: „Der mich schickte, gab mir diese Wegzehrung zur Stärkung.“
Nichts hören wollte der Grenzer:
„Ohn´ all das musst du hinausgehen aus dir.“
Voll Ungeduld war mein Blick, seine Pflicht zu erfüllen.
Im Zolldepot liess er alles mit Beleg,
empfing, was er überlassen, erst bei der Wiederkehr.
Verrottet war alles im Speicher vom Zoll und stinkend.
Verschämt trat er vor mich,
schwieg sich aus übers Abenteuer auf halbem Wege.
Doch was er am anderen Ende des Weges gesehen, trug er vor weitläufig.
An diesem Tag verlor ich das Vertrauen in meinen Blick.
[Maulana Djalal al-Din Rumi (1207-1273) aus Balch, mystischer Dichter; Obeid-e Zakani (?-1371), satirischer Dichter; Hafez-e Shirazi (1325-1389), lyrischer Dichter; Djamschid – mythischer König.]
Manuchehr Jamali, „KARIZ“, London 1994 (S. 4-5); Übers.: B. Burgwinkel, 2007.